Von Peter Ch. Goetz, Ludwigshafen
Ein Horrorszenario nach dem anderen wird derzeit an die Wand projiziert und über die Medien verbreitet. Vom wirtschaftlichen und sozialen Untergang bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen, so referieren “Experten“ sowie die meisten Berufspolitiker und verbreiten Angst und Schrecken.
Dabei schüttet man Schimpf und Schande bis hin zur kompletten Verachtung über die älteren britischen Bürgern aus, die sich erdreisteten, gegen ein Geld schluckendes Verwaltungsmonster und eine uneffektive Umverteilungsmaschine, genannt EU, zu stimmen. Die Hetze gegenüber den Briten scheint keine Grenze mehr zu kennen. So tituliert man die Mehrheit der britischen Bevölkerung in unglaublicher Art und Weise als dumm und rückständig. Dies alles gipfelt dann in den Aussagen: Die Briten werden schon sehen was sie davon haben, da sie sich selbst dem ökonomischen Untergang preisgaben.
Dann werfen wir doch als Erstes einen Blick auf den weltweiten Kapitalmarkt, und zwar gezielt auf die Reaktionen der Aktienbörsen.
Hier geschah durchaus Erstaunliches. Sollte man den Politiker- und Medienaussagen Glauben schenken, so hätte zuvorderst der britische Aktienmarkt am Tag direkt nach der Brexit-Entscheidung mehr als deutlich einbrechen müssen. In Wahrheit ist es jedoch so gekommen, dass dieser Markt am wenigsten verlor, und zwar nur um die 4,5 % (FTSE 100). Dem gegenüber verlor der Deutsche Aktienindex (DAX) 8,3 %. Dies alles natürlich nach anfänglich höheren Verlusten.
Bemerkenswert und aussagekräftig ist jedoch auch, dass der griechische Aktienmarkt um ca. 17 % verlor und spanische, französische, italienische und griechische Banken bis zu 30 % leichter notierten.
Die Kapitalmärkte haben gesprochen und dies mit einer sehr deutlichen Sprache!
Was könnte man hieraus folgern? Was kann man aus diesen Zahlen herauslesen?
Die wirtschaftliche Gefahr ist nicht für die Briten und ihre Unternehmen am größten, sondern durch den Ausfall dieses EU-Nettozahlers werden genau die Länder in zusätzliche Schwierigkeiten geraten, die bereits schon auf die europäischen Ausgleichszahlungen angewiesen sind. Länder wie z. B. Griechenland, Italien, Portugal und Spanien werden wohl vor allem die leidtragenden sein. Die sozialistische Umverteilungskasse wird wohl ohne Großbritannien nicht mehr ausreichend gefüllt werden können. Nicht nur Deutschland wird von nun an zusätzlich gefordert sein, die defizitären südeuropäischen Länder in einem stärkeren Ausmaß zu unterstützen.
Zwar war die Entscheidung der Briten weniger eine Entscheidung gegen Europa, sondern eher gegen die Freizügigkeit und das Bürokratiemonster EU. Dennoch drohen die Weltuntergangspropheten im Gegenzug mit Handelshindernissen und Schutzzöllen, welche man natürlich direkt einführen möchte. Der böse Brite will nicht mitspielen, also müssen wir ihn hart bestrafen, selbst wenn es dabei unserer eigenen Wirtschaft massiv an den Kragen geht.
Die größte Gefahr geht daher eher von den EU-Bürokraten aus, die ihre Felle davonschwimmen sehen, als von real existierenden langfristigen Handelsproblemen. Freihandel kann man auch in Zukunft in Europa und auch außerhalb der EU betreiben, solange die wirklich gefährlichen EU-Bürokraten dem keine Steine in den Weg legen. Die europäische und vor allem die deutsche Wirtschaft benötigen den britischen Markt ebenso, wie umgekehrt. Es geht jetzt um entsprechende Handelsabkommen!
Das Zauberwort könnte EFTA heißen. Die Europäische Freihandelsassoziation (European Free Trade Association), der derzeit nur noch Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz angehören, wird wohl wieder um ein Mitglied reicher werden. Der Gründungsgedanke der EFTA war 1960 die Förderung von Wachstum und Wohlstand der Mitgliedstaaten und die Vertiefung des Handels sowie der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den westeuropäischen Ländern. Damit wäre auch der reibungslose innereuropäische Freihandel wieder gewährleistet und dies sogar frei von allen politischen Zielsetzungen. Einfacher formuliert: Was mit Norwegen und der Schweiz möglich ist, das müsste auch mit den Briten funktionieren.
Wird sich die EU ab jetzt verändern? Nein, dies ist nicht zu erwarten. Ein System, welches dem Untergang geweiht ist, wird automatisch alles unternehmen, damit dies noch radikaler geschieht. Wir werden schon bald die Worte hören: Vertiefte EU jetzt erst recht und davon noch mehr!
Von den südlichen Empfängerländern ist eine Änderung ohnehin nicht zu erwarten. Ein Umdenken müsste aus den Zahlerländern wie Deutschland heraus entwickelt werden, hierzu fehlt es jedoch am politischen Willen. Die Träume eines Großeuropäischen einheitlichen Staates sind noch immer nicht ausgeträumt. Es wird weiterhin vom einigen und einheitlichen Europa gesprochen und die sogenannten Eliten bemerkt überhaupt nicht, dass gerade sie es sind, die Europa in einer nicht für möglich gehaltenen Art und Weise spalten.
EU-Bürokratismus und die vielen Verbote, Gebote und teils lächerliche Vorschriften, erzürne die Menschen. Ohne die europäische Völker zu befragen, hat man gegen alle europäischen Verträge (z. B. Vertrag von Maastricht) eine Staats- und Bankenrettungspolitik eingeführt und hat damit bereits Volkes Zorn auf sich gezogen. Dies hätte jedoch nicht zu diesen Zuständen geführt, wie wir sie jetzt erleben und noch weiter erleben müssen. Der deutsche Alleingang in der Flüchtlingspolitik führt nicht nur in Deutschland zu massiven Spannungen, er entzweit auch die restlichen europäischen Länder, welche sich nicht aus Deutschland heraus vorschreiben lassen möchten, was für sie das richtige ist und was sie zu tun haben. Die österreichische Präsidentschaftswahl war nur der Auftakt und über den Brexit werden wir, die Bürger, und die herrschende politische Klasse noch so einige Überraschungen erleben.
Die EU steht jetzt am Scheidepunkt! Jetzt wären der Zeitpunkt und die Möglichkeit gekommen für mehr Freiheit und weniger Bürokratie. Leider werden sie wohl ungenutzt verstreichen. Freiheit, Sicherheit und Freihandel sind der Grundstock für ein funktionierendes Europa und nicht Zentralismus, Geldumverteilung, Vorschriften, Verbote und Bevormundung.