Von Eberhard Will, Mannheim
Heute Morgen war ich beim Neujahrsempfang der Stadt für die Bürger Mannheims. Immer eine tolles Event mit mehreren tausend Besuchern. Und dieses Jahr erstmals komplett mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgt! Als ich das hörte, musste ich an meinen Onkel Franz und seinen Kartoffelschnaps denken.
Mein Onkel Franz ist ein großer Importeur und Versandhändler von Kartoffelschnäpsen, alle von unterschiedlicher Machart, aber gleichbleibend bester Qualität und immer mit 50% Alkohol. Die Unterschiede in der Machart liegen in der Wärmezufuhr bei der Destillation. Premium ist die Wärmeerzeugung mit thermischen Solarkollektoren, eher minderwertig ist die Nutzung von geteerten alten Eisenbahnschwellen als Brennholz. Dazwischen liegen ein paar Varianten, die unterschiedlich viel CO² und Feinstaub abgeben. Auf die Kartoffeln kommt es nicht an. Gustatorisch sind alle Brände gleich. Noch nie konnte jemand bei Blindversuchen eine Kartoffelsorte herausschmecken.
Da also der Geschmack und der Alkoholgehalt nicht als Unterscheidungsmerkmal taugen, macht mein Onkel Franz die Preise an der Art der Energiezufuhr beim Destillieren fest. Am teuersten ist der Schnaps, der mit Solarthermie destilliert wurde, am billigsten der mit den Eisenbahnschwellen. Auf dem Solaretikett steht, dass sich die Reinheit der Sonnenenergie in der Reinheit des Alkohols wiederfinde. Auf dem Bahnschwellenschnaps steht nur 50%.
Da mein Onkel den Schnaps in Großgebinden einkauft und der wechselnden Nachfrage entsprechend mehr oder weniger just in time abfüllt, kommt alles erst mal in ein ganz großes Fass. Dessen Inhalt nennt er den “Kartoffelsee“. Daraus wird abgefüllt in verschiedenfarbige und verschieden geformte Flaschen mit unterschiedliche Produktnamen und Etiketten.
Fast könnte man denken, das sei Betrug, dabei ist mein Onkel ein grundehrlicher Mann. Z.B. verkauft er niemals mehr von den besonders teuren Flaschen mit den Etiketten des Solarthermie-Kartoffelschnapses, als er tatsächlich davon eingekauft hat. Damit daran auch nicht der geringste Zweifel aufkommen kann, lässt sich mein Onkel die diesbezüglichen Buchhaltungsprozesse regelmäßig zertifizieren, nach strengen Regeln von einem Freund aus seinem Schützenverein. Gleiches gilt natürlich auch für die Sorten, die mit Hilfe von Solarstrom, Biogas oder über offenem Tannenzapfenfeuer destilliert wurden.
So leicht ist es für uns Freunde der nachhaltigen Erzeugung, uns für ein paar Euro mehr den kleinen Luxus eines klimagerecht erzeugten Stimmungsaufhellers zu gönnen, den man frohen Herzens genießen kann. Einen Toast auf Onkel Franz!