Von Eberhard Will, Mannheim
Wenn jemand etwas sagte oder tat, das einem besonders unüberlegt oder töricht vorkam, und das man ihm auch nicht unbedingt zugetraut hätte, und wenn man ihn auch noch ein wenig herabsetzen möchte, aber nicht gleich justiziabel, dann bietet sich an, zu formulieren: “Er hat sich nicht entblödet, …“ Das ist mehr als deutlich, aber das Altmodische des Begriffes nimmt ihm etwas die Schärfe. Die distinguierte Verwunderung gibt der Frechheit etwas Höfliches.
Also, um jetzt zur Sache zu kommen, der Bundespräsident hat seine Weihnachtsansprache mit dem Satz zu begonnen: “Guten Abend aus dem Schloss Bellevue. Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest. ..“.
Nach meiner Erinnerung war Helmut Kohl der letzte Kanzler, der seine potentiellen Wählerinnen und Wähler mit “Liebe Landsleute“ ansprach. Gerhard Schröder und Angela Merkel war das Wort wohl zu völkisch und es fiel dem Kampf gegen Rechts zum Opfer. Sie wandten sich stattdessen an die lieben “Mitbürgerinnen und Mitbürger“ und verwendeten wie ihre Vorgänger eine Floskel, die sich zwar anonym aber dennoch persönlich an eine große Zahl individueller Menschen wandte.
Aus der Sicht von Joachim Gauck ist auch diese zugegebenermaßen nicht sehr phantasievolle Anrede offensichtlich nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Vermutlich genügte sie nicht seinen Ansprüchen an die amtsgemäße Political Correctness. Nur die “Mitbürgerinnen und Mitbürger“ anzusprechen, ist offensichtlich viel zu wenig inklusiv. Wer wird da nicht alles ausgeschlossen? Natürlich die, die zwar “schon lange hier leben“, aber dennoch keine Staatsbürger geworden sind, jedoch auch die, “die noch nicht so lange hier leben“ und deswegen bloß Einwohner sind, zusätzlich noch Touristen und alle illegal im Land Lebenden, aber auch diejenigen, die ihrer bürgerlichen Ehrenrechte verlustig gegangen sind. Und nicht zuletzt: Auch Tiere sind Menschen. Also ohne Inklusion und Teilhabe geht heute politisch gar nichts mehr.
Wir können sicher sein, dass in der Schreibstube des Bundespräsidialamtes diverse Regierungsräte und Regierungsdirektoren, Ministerialräte, Ministerialdirigenten und Ministerialdirektoren intensiv gebrainstormt und lange um die richtigen Worte gerungen haben, die den Leitgedanken der Inklusion treffend zu Ausdruck bringen. Bis dann nach vielen Stunden das erlösende Wort viel: “Guten Abend aus dem Schloss Bellevue.“ Wer überhaupt niemanden einschließt, der schließt auch niemanden aus! Ein Gedanke von preußischer Einfachheit und Strenge, von überzeugender Klarheit der Gedankenführung.
Wie weit fallen dagegen zwei Billigformulierungen für Emails ab, die zu recht ebenfalls verworfen wurden: “Hallo an Alle.“ oder “Liebe Alle.“ Aber auch mit “Liebe Menschinnen und Menschen.“ hätte Joachim Gauck der Inklusion und der Teilhabe keinen Dienst erwiesen. Stattdessen “Guten Abend aus dem Schloss Bellevue.“ Dieser Gruß wird bleiben, wenn die Inhalte längst im Winde verweht sind.
Wie platt und populistisch hat sich dagegen der Baden-Württembergische Ministerpräsident mit seiner Neujahrsansprache bei den Ewiggestrigen angebiedert: “Meine sehr geehrten Damen und Herren. Liebe Landsleute. ..“ Mit solchem Opportunismus dient man nicht der Weltbrüderlichkeit, sondern begünstigt nur die Rechten.