Von Boris T. Kaiser, Mannheim
Die hessische Innenministerin Eva Kühne-Hörmann machte kürzlich darauf aufmerksam, dass Deutsch in deutschen Gefängnissen immer mehr zur Fremdsprache wird. Den unbedarften Zeitungsleser dürfte dies verwundert haben, hat man uns doch immer eingeredet, dass alle Statistiken belegen würden, dass Ausländer nicht krimineller seien als Deutsche. Auf eine Anfrage hin musste man jetzt aber einräumen, dass bis zu zwei Drittel der Gefängnisinsassen nur unzureichend Deutsch sprechen. In deutschen Knästen wird also offenbar, welch Wunder, genau so wenig Deutsch gesprochen, wie in den, als multikulturelle Bereicherung deklarierten, Problemvierteln unserer Städte.
Sehr viel Deutsch, oder zumindest so etwas ähnliches, wird dagegen im Nachmittagsprogramm des hiesigen Privatfernsehens gesprochen. In denen man sich, den Machern zufolge, mitten im Leben wähnt. „Verdachtsfälle“, oder „Auf Streife“ heißen jene Formate, in denen Laiendarsteller den kriminellen Alltag in Deutschland nachspielen. Die im Medien-Fachjargon „Scripted Reality“ genannten Formate verheißen der gemeinen Couch-Potato, einen zwar gescripteten, aber möglichst realitätsnahen Einblick in das gefährliche Deutschland da draußen, wie es nur knallharte Profis kennen. Um diesen Eindruck zu unterstreichen, versprechen die Sender echte Privatdetektive, Sicherheitskräfte und sogar Polizisten, die von der Realität inspirierte Fälle darstellen. Die Geschichten tragen so klangvolle Namen wie: „Für eine Hand voll Hundefutter“, „Liebe geht durch den Router“ oder „SMS aus dem Jenseits“. Nun sagen einem schon die Titel, was jedermann mit einer Hand voll Menschenverstand auch so klar sein dürfte: dass diese Geschichten in Wahrheit natürlich nur sehr wenig mit der Realität zu tun haben. Die Art und Weise, wie hier die Realität verdreht wird, ist aber durchaus interessant. Denn egal, worum es in den skurrilen Kriminalfällen geht, die Täter sind nahezu immer Deutsche. Allenfalls taucht mal ein holländische Crystal-Meth-Schmuggler auf. Osteuropäische Taschendiebe, arabische Mafia-Clans, türkische Messerstecher oder gar nordafrikanische Sexualverbrecher wird man in der geschrieben Realität des Privatfernsehens vergeblich suchen.
Ich möchte nicht mit totaler Sicherheit ausschließen, dass es in den hunderten von Episoden auch mal eine Geschichte gab, in der der Böse kein Biodeutscher war, aber das absolute Gros der Stories und alle, die ich gesehen habe, wirken, als hätte Katja Kipping von der Linkspartei das Drehbuch geschrieben. Ausländer kommen allenfalls als Opfer vor. Beispielsweise wenn es heißt: „Junge Samba-Schönheit wird schikaniert“. Schikaniert wird sie natürlich, wie könnte es anders sein, von der Familie ihres deutschen Ehemanns und der rassistischen Dorfgemeinschaft. Immer wieder geht es in den „Polizeiberichten“ um Familien-Dramen. Obgleich sich diese in Städten wie Köln, Duisburg oder Berlin abspielen, haben es die Fernsehpolizisten dort nie mit muslimischen Frauenschlägern, Kinderbräuten und Ehrenmördern zu tun, sondern ausschließlich mit biodeutschen Reihenhaus-Spießern oder dem dumpfen teutonischen Prekariat. Eine etwas dunklere Hautfarbe haben Täter in der TV-Realität allenfalls, wenn sie zu lange auf der Sonnenbank lagen. Ansonsten sehen sie so weiß und deutsch aus, als wären sie gerade einem Gemälde von Norbert Bisky entsprungen, nur etwas verlotterter und schmuddeliger.
Man könnte diese verzerrte Darstellung der Realität als typisch Privatfernsehen abtun, sich mit etwas Harald-Schmidt-eskem Zynismus zurücklehnen und sagen: „Ist doch egal, womit irgendwelche zugekoksten TV-Redakteure das Subproletariat allnachmittäglich berieseln.“ Jedoch findet sich diese Methodik der getürkten (oder sollte man sagen gedeutschten?) Realität bei weitem nicht nur in den Trashformaten des auf Einschaltquoten getrimmten Kommerz-Fernsehens. Auch Sendeanstalten mit einem sogenannten öffentlich rechtlichen Bildungsauftrag zeigen ein Deutschland, dass es so wohl nur in den rotweingeschwängerten Köpfen der rotgrün sozialisierten Medien-Schickeria gibt.
Das Paradebeispiel ist hier wohl der ARD-Krimi-Klassiker „Tatort“. Vorbei die Zeiten, in denen ein Horst Schimanski mit einem einfachen „Scheiße!“ die rauen Seiten des Ruhrpotts widerspiegelte oder in denen die Kommissare auch im größten Ermittlungsstress stets Zeit für ein heiteres Liedchen fanden. Heute will der deutsche Krimi mehr. Er will etwas bewegen. Gesellschaftlich und so. Mittlerweile vergeht daher kaum noch ein Monat ohne „Flüchtlings-Tatort“. Die Fernsehfilme haben den Charme einer evangelischen Religionsunterrichtsstunde und sollen den Fernsehzuschauer scheinbar einlullen, um ihn in trügerische Sicherheit und in den Schlaf zu wiegen oder, wie die Macher sagen würden: „Wachrütteln“.
Natürlich sind auch hier die Flüchtlinge nahezu immer die Guten. Integrationsprobleme, Kulturkampf und religiösen Fanatismus gibt es nicht und wenn doch, dann nur, weil der deutsche Behördenapparat und die hiesige Gesellschaft so kaltherzig und rassistisch sind. War die DDR-Serie „Polizeiruf 110“ einst die sozialistische Version des ARD-Tatorts, ist der Tatort heute wohl bundesrepublikanische Staatsfernsehen-Version eines richtigen Krimis. Gab es im Polizeiruf, auf Geheiß der Partei, so gut wie keine schweren Kapitalverbrechen in der DDR zu ermitteln, gibt es in der schönen heilen Welt des gebührenfinanzierten Merkel-Fernsehens eben keine bösen Ausländer.
Selbst die echte Realität ist im TV mittlerweile auf die grüne Linie ganz links gebracht. Wurde früher häufig über den großen Ausländer-Anteil in der ZDF-Fahndungssendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“ gespottet, scheinen die Verantwortlichen der Sendung mittlerweile auf einen möglichst ausgewogenen ethnischen Täter-Opfer-Ausgleich zu achten. Die Fahndungsaufrufe sind bunt gemischt und wenn man nicht so genau weiss, wie die Täter aussahen, sehen sie in den Einspielfilmen tendenziell immer erst mal eher deutsch aus. Das liegt aber natürlich allein daran, dass Ausländer nicht nur nicht krimineller sind als Deutsche, sondern offenkundig auch weniger kriminell als früher. Wer etwas anders behauptet, wird von Justiz-und-Wahrheitsminister Heiko Maas mit sofortiger Wirkung zur Verhaftung ausgeschrieben und darf demnächst Deutschkurse im Gefängnis geben.
Zuest veröffentlicht auf dem Blog des Autors www.brainfucker.de
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