Von Boris T. Kaiser – Mannheim
Nachdem die AfD bei den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern die CDU überholt hat und somit zweitstärkste Kraft im Land wurde, herrschte in den sozialen Medien und den Redaktionen der Republik eine Mischung aus Weltuntergangsstimmung und Volksverachtung. Dabei hätte man das Ergebnis durchaus auch anders interpretieren können. Immerhin hat die AfD wohl mit ihrem guten Abschneiden dafür gesorgt, dass es die Neonazis von der NPD nicht mehr in den Landtag von Schwerin geschafft haben. Auch hätte man es als demokratisches Aufbäumen gegen die, bei der Mehrheit des Volkes und sogar der eigenen Partei unbeliebten, „Wir-schaffen-das“-Politik der Kanzlerin verstehen können. Man hätte sich sogar darüber freuen können, dass die AfD die Wahlbeteiligung von 51,5 Prozent auf 61,6 Prozent erhöht und damit viele Menschen für die parlamentarische Demokratie zurückgewonnen hat. In jedem Fall hätte man das Wahlergebnis aber als völlig normalen demokratischen Vorgang und damit als „zu akzeptieren“ hinnehmen können.
Stattdessen hat man in der politischen und medialen Kaste so ziemlich alles wiederholt und gar auf die Spitze getrieben, was zum Erfolg der AfD beigetragen hat.
Alles Nazis außer Mutti
Die Merkel-Groupies sind mittlerweile schon sehr geübt darin, jeden, der – in welcher Form auch immer – die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin kritisiert, als rassistisch und nationalistisch abzustempeln. So wurden nach dem Motto „Alles Nazis außer Mutti!“ auch alle Wähler, die aus Protest gegen eben diese Flüchtlingspolitik AfD gewählt haben, über den braunen Kamm geschoren. Spiegel-Online Politik-Ressortleiter Roland Nelles war sich am Tag nach der Wahl sicher: „Die Wähler der AfD sind Rassisten.“ Da war nichts mehr zu sehen von der in der Gutmenschen-Journallie-Kreisen sonst so beliebten Differenzierung und Einzelfallbetrachtung. Hätten sich einige AfD-Anhänger in arabischer Großfamilien-Rudel-Manier zusammengerottet und jemanden totgeschlagen, hätten sie vielleicht mit Nachsicht aus der Spiegel-Redaktion rechnen können, nicht aber, wenn sie im Rahmen eines demokratischen Wahlprozesses die Demokratie „ausnutzen“, um die AfD zur zweitstärksten Partei zu machen.
Generell hielten viele nach der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern Wählerbeschimpfung für ein probates Mittel, um solche Ergebnisse zukünftig zu verhindern. Das hatte schließlich schon bei den vorausgegangenen Europa- und Landtagswahlen in anderen Bundesländern wie Baden-Württemberg so gut funktioniert. Schon vor der Wahl machten Politiker der etablierten Parteien aus ihrer buchstäblichen Verachtung gegenüber der AfD und ihren Wählern keinerlei Hehl. CDU-Urgestein und Erdogan-Freund Ruprecht Polenz verlinkte und zitierte in offensichtlich zustimmender Weise am Tag vor der Wahl den Blogger Christoph Giesa mit den Worten:
„Am Sonntag werdet Ihr wieder jubeln. Die AfD wird mit einem deutlich zweistelligen Ergebnis in den Schweriner Landtag einziehen. Was wir von dieser Partei zu erwarten haben, ist inzwischen kein Geheimnis mehr. Auf ihren Listen ziehen Rassisten, Antisemiten, Antidemokraten, Chauvinisten, gescheiterte Persönlichkeiten, Faulpelze und Lügner in die Parlamente ein. Ihr wählt diese Partei trotzdem. Oder besser: Genau deswegen. Euch stört nicht, dass an der AfD nichts Seriöses ist. Ihr findet das gut. Weil Ihr selbst genauso seid – und auch noch stolz darauf. Dafür verachte ich Euch!“
Nun ist Ruprecht Polenz ein mittlerweile politisch weitgehend irrelevanter verwirrter alter Mann, bei dem die Grenzen zwischen Idealismus und Altersdemenz immer mehr verwischen. Aber auch die Reaktionen jüngerer, (geistig) aktiver Politiker der etablierten Parteien ließen nicht gerade darauf schließen, dass man irgendetwas verstanden habe oder verstehen wolle. Stattdessen betonte man in der CDU wieder einmal, dass es mit der AfD niemals eine Koalition geben könne. Wie man ohne die AfD in absehbarer Zeit mal wieder eine nicht-linksgeprägte Regierung bilden könnte und ob man das überhaupt noch will, verschweigt man weiterhin.
Auch außerhalb der Partei-Politik lief das Nazometer mal wieder auf Hochtouren. Vor Allem sorgten sich mal wieder jene antifaschistischen Widerstandskämpfer, die bei importierter Menschenfeindlichkeit relativ entspannt bleiben.
Die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, ehemalige Vizepräsidentin des Jüdischen Weltkongresses und seit 1985 amtierende Präsidentin der Israelitischen Kulturgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knoblauch, sagte nach der Wahl in einer ersten Reaktion:
„Dass eine rechtsextreme Partei, die unverblümt widerlich gegen Minderheiten hetzt und mobilisiert, in unserem Land ungebremst aufsteigen kann, ist ein wahr gewordener Albtraum. Die AfD ist ein destruktiver, antidemokratischer, antimoderner und antiliberaler Akteur im politischen Prozess. Im bewussten Zusammenwirken mit anderen rechtsextremen Parteien und neonazistischen Gruppierungen ist die Bewegung in der Lage, die freiheitlich-demokratische Verfasstheit in der Bundesrepublik zu destabilisieren, wenn sie nicht aufgehalten wird.“
Nun könnte man die Panikmache von Charlotte Knoblauch, in Anbetracht ihres sehr speziellen Blickwinkels und einiger der jüngsten Entwicklungen in der AfD, vielleicht noch verstehen, würde sie nicht immer wieder in eben jenen blindlinken Refugees-Welcome-Chor mit einstimmen, der nahezu jegliche Kritik an der aktuellen Flüchtlingspolitik oder gar an den Flüchtlingen selbst in einem Atemzug mit dem Nationalsozialismus nennt und damit die Flüchtlinge indirekt zu den „neuen Juden“ erklärt . Das Deutschland der bahnhofsklatschenden Willkommenskultur bezeichnete sie einst als „wohltuend“ und „von großer Bedeutung für die Juden“. Man möchte Frau Knoblauch fragen, wie wohltuend für die in Deutschland lebenden Juden der mitgebrachte Antisemitismus der hunderttausenden Neuankömmlinge ist, aber man weiß, dass man von ihr keine klare Antwort bekommen würde, zu gut gefällt sie sich in der Rolle des Xavier Naidoo des jüdischen Verbandswesens. Dass sie mit ihrer falschen Toleranz Verrat an ihrem eigenen Volk und der Sicherheit der Juden in Deutschland begeht, ist ihr nicht bewusst oder egal.
So sehr Charlotte Knoblauch die Probleme mit dem der christlich-jüdischen und aufgeklärten westlichen Gesellschaft feindselig gegenüberstehenden Teil der Flüchtlingsschwemme oft ignoriert, so sehr reiht sie sich ein in die lange Liste derer, die die AfD einfach nicht mögen, ohne so ganz genau zu begründen zu können, warum. Die von Charlotte Knoblauch über Jennifer Rostock bis hin zu Bundes-Zensurminister Heiko Maas vorgebrachten Argumente und Beschuldigungen sind oft völlig haltlos und haben wenig bis gar nichts mit dem tatsächlichen Programm der Partei zu tun. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der Partei findet in der Regel bis heute nicht statt. Es wird wohl noch einige Wahlerfolge lang dauern, bis man in Politik und Medien erkennt, dass die AfD nicht so einfach wieder verschwinden wird und dass ein pauschales Draufhauen und unfaire Diffamierungen das Prostest-Potential der Partei eher stärkt als sie ernsthaft zu schwächen.
Sind ja nur doofe Ossis
Die Ergebnisse bei sämtlichen Wahlen seit der Flüchtlingskrise komplett ignorierend, versucht man aktuell, über alle Parteigrenzen hinaus, das gute Abschneiden der AfD zu einem weitgehend ostdeutschen und damit reinen Kommunikations-Problem zu erklären. Der Wähler in Ostdeutschland habe einfach nicht verstanden, was seine wahren Probleme sind. Erläutern will man ihm dies von Seiten der etablierten Parteien aber auch nicht, dazu müsste man ja eigene Versäumnisse eingestehen. Gerne und genüsslich weisst man, um das „Problem“ möglichst klein zuhalten, darauf hin, dass ganz Ostdeutschland zusammen so viele Wähler hat wie Nordrhein-Westfalen. Man darf gespannt sein, wie man das relativiert wenn die AfD in NRW ebenfalls einen Wahlerfolg erlangt. Man betont derweil immer wieder, dass die Ängste der Ostdeutschen völlig diffus und unbegründet seien, da es in Ostdeutschland kaum Flüchtlinge gäbe. So etwas wie einen bundespolitischen Weitblick oder ein Hinausschauen über den eigenen Tellerrand und die eigenen Landesgrenzen traut die westdeutsche Elite den „doofen Ossis“ offenbar nicht zu. Ganz davon abgesehen, dass man dank ideologisch geprägtem Kurzzeitgedächtnis wohl schon wieder völlig vergessen hat, dass es nicht unbedingt allein die Anzahl der Flüchtlinge ist, die unkontrollierte Zuwanderung gefährlich macht. Es reichen manchmal auch schon sprengstofftechnische Einzelbegabungen oder eine Machete in der „richtigen“ Hand aus.
Den feinsten bzw. skurrilsten Kniff machte der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner. Der in der „Berliner Runde“ – obwohl sich alle einig waren, dass es in Ostdeutschland kaum Flüchtlinge gibt – die Flüchtlinge als Chance sah, um die Abwanderung der einheimischen ostdeutschen Bevölkerung auszugleichen. Ein weniger besonnener Autor als ich würde da, wohl nicht ganz unbegründet, von Umvolkungs-Fantasien bei den Grünen schreiben.
Das letzte Mittel
Nein, so wird man der AfD nicht Herr werden, noch sie so mäßigen, dass sie sich irgendwann in Regierungsverantwortung beweisen müsste. Man wird nur immer mehr Stimmen an sie verlieren und sich selbst damit in immer buntere und instabilere Koalitionen gegen sie zwingen. Es gibt aber sicherlich Möglichkeiten, die AfD loszuwerden, ohne sich ernsthaft und ohne Nazi-Keule mit ihr auseinandersetzen zu müssen. In einem Land, in dem #TeamGinaLisa das Sexualstrafrecht bestimmt, wird man bestimmt auch ein Mittel gegen die erfundenen „Nazis“ der AfD finden, bevor sie endgültig systemgefährdend werden.
Übernommen mit freundlicher Genehmigung des Autors. Zuerst veröffentlicht auf seinem Blog https://brainfuckerde.wordpress.com/
Fotos: pixabay, Autor